Titre allemand : Nobody knows – Die Kofferkinder
Titre espagnol : Nadie sabe
Titre grec : Κανείς δεν ξέρει
Titre russe : Никто не узнает
Titre original : Dare mo shiranai
Titres alternatifs :
Daremo shiranai / Kaneis den xerei / Κανεις δεν ξερει
Drame – Le Japon
Année de production : 2003
Durée du film : 141 minutes
Réalisateur : Hirokazu Koreeda
Rocky 62
Ich habe diesen Film in der deutschen Fassung vor einigen Jahren als 2-Disc-Special-Edition in einem wunderbaren Hartkarton-Cover mit einem Booklet mit Anmerkungen des Regisseurs zu seinen Protagonisten erhalten.
Zunächst einmal ist anzumerken, daß die Handlung des Films auf einer wahren Begebenheit beruht. Die Geschichte machte 1988 Schlagzeilen als »die Affäre von Nishi-Sugamo«. Die vier Kinder von vier verschiedenen Vätern existierten rechtlich nicht, denn ihre Geburt war nie gemeldet worden. Die Kinder lebten sechs Monate ganz allein, nachdem ihre Mutter sie verlassen hatte. Der Tod des jüngsten Mädchens setzte diesem Abenteuer ein tragisches Ende. Erstaunlicherweise war sich kein Hausbewohner der Existenz von dreien dieser Kinder bewußt.
Ein großartiger bewegender Film, der uns den Überlebenskampf der vier Kinder und vor allem des Jungen Akira zeigt, wie er versucht, Verantwortung für seine jüngeren Geschwister zu übernehmen, das Leben zu meistern, und am Ende doch zerbricht und im Chaos versinkt. Es ist die Eigenart von Hirokazu Kore-Eda, seine Filme in zeitlich chronologischer Abfolge zu drehen, will heißen, er dreht tatsächlich den Anfang des Films zuerst und das Ende des Films zum Schluß. Dies hatte bei diesem Film den Effekt, daß Yuya Yagira bei den über ein Jahr dauernden Dreharbeiten mächtig gewachsen und gereift ist. Diese Verwandlung von Akira integrierte Kore-Eda in seinem Film. So gibt es eine Szene in der seine Schwester Akira fragt: »Was ist denn mit deiner Stimme? Bist du erkältet?«, als Yuya in den Stimmbruch gekommen war.
In ruhigen, fast schon dokumentarischen Bildern verfolgen wir das Leben der vier Kinder. Schon als die Mutter noch da ist, ist es Akira, der die Verantwortung für den Haushalt übernimmt. Es ist Akira, der die Überweisungen für Strom, Wasser und Gas erledigt. Er trifft sich mit den Vätern seiner Halbgeschwister, um etwas Geld aufzutreiben. Akira ist wißbegierig und bringt sich selbst Lesen, Schreiben und Rechnen bei. Seine Mutter ist ihm dabei keine große Hilfe, da sie selbst bei einfachsten Aufgaben Schwierigkeiten hat.
Zunächst geht alles seinen gewohnten Gang. Die Kinder sind es gewöhnt, allein zu sein. Akira freundet sich mit dem gutbürgerlichen Mädchen Saki an sowie mit einigen Jungen. Sie spielen bei Akira zu Hause Videospiele. Dies geht einige Zeit gut, bis das Geld eines Tages ausgeht und kein weiteres geschickt wird. In einer Szene steht Akira vor einem Überweisungsautomaten und zögert, ob er das Geld einzahlen soll. Er tut es nicht und spart das Geld für Essen. Die Folge ist, daß Gas, Wasser und Strom abgeschaltet werden. Der Anfang vom Ende. Akira hat einen Verbündeten in einem Angestellten eines Supermarktes, der ihm immer etwas zu Essen zukommen läßt. Mittlerweile verwahrlosen die Kinder immer mehr. Akira findet nicht mehr die Kraft, die Wohnung in Ordnung zu halten. Es türmt sich der Müll. Auch seine neuen Freunde wenden sich von ihm ab. Nicht zuletzt weil sie ihn zum Diebstahl bewegen wollen und Akira sich weigert, sondern, wie sie sagen, es in seiner Wohnung gammelt und stinkt. Nur seine Freundin Saki hält zu ihm. Sie verkauft sich sogar an Männer, um Geld für ihn aufzutreiben. Aber Akira ist stolz und nimmt das Geld nicht. Damit schläft auch diese Beziehung ein. Durch einen tragischen Unfall, einen Sturz, kommt das jüngste der vier Kinder, Yuki, ums Leben. Akira kehrt zu Saki zurück und bittet Sie, ihm bei der Beerdigung zu helfen. Gemeinsam begraben sie Yuki am Rande des Tokioter Flughafens, da sie doch die Flugzeuge so gerne sehen wollte. Diesen Wunsch konnte Akira ihr nun nicht mehr erfüllen. Hier endet der Film und Hirokazu Kore-Eda überlässt es dem Zuschauer, wie das Schicksal der Vier weitergehen könnte.
Hier noch einige Anmerkungen des Regisseurs zu den Jungendarstellern:
Hirokazu Kora-Ede über Yuya Yagira: »Ich war betroffen von Yuya Yagiras durchdringendem Blick. Während des Jahres, das wir mit den Dreharbeiten verbrachten, ist Yuya ein Stück gewachsen und seine Stimme verändterte sich. Seine ursprünglich scheue Persönlichkeit wandelte sich in der zweiten Hälfte des Drehs zu dem Jungen, der seinen jüngeren Bruder und seine
Schwestern anführen konnte. Ich zog einen Vorteil aus Yuyas allmählicher
Verwandlung vom Kind zum Erwachsenen und integrierte sie in Akiras
Veränderung im Film. Die Geschichte ist fiktional, aber ein Teil meines eigenen Lebens und ein Teil von Yuyas Leben wurden unauslöschlich in diesem Fim aufgezeichnet.«
Hirokazu Kora-Ede über Hiei Kimura: »Bis zum Ende zermarterte ich mir das Hirn, wer Shigeru spielen sollte. Bis zum letztmöglichen Augenblick behielt ich mehrere Kandidaten auf der Liste, dann ging ich mit allen in einen Park und beobachtete sie beim Spielen. Der Junge, den ich schließlich auswählte, Hiei Kimura, war während des Vorsprechens unfähig gewesen, auch
nur eine Minute stillzusitzen. Was auch immer ich ihn fragte, er antwortete mit
›weiß nicht‹ oder ›kann ich nicht sagen‹. Ein Gespräch war unmöglich. Aber sein Ausdruck und seine Eigenheiten waren absolut bezwingend. War er der Herausforderung, ein ganzes Jahr lang zu drehen, wirklich gewachsen? Mein Regieassistent und ich waren uns einig, daß es ein Risiko sein würde, ihn zu besetzen.
Aber ich glaube, es war ein Risiko, daß sich wirklich gelohnt hat.«